Crataegus ist für das Herz sowas wie die eierlegende Wollmilchsau. Die nachgewiesenen Wirkungen (siehe Tabelle 1) sind allesamt dem Herzen zuträglich. Und das bei einem Sicherheitsprofil, das vermutlich nur durch Wasser zu toppen ist.
Wirkungen von Crataegus |
> Positiv inotrop und dromotrop |
> Negativ bathmotrop und chronotrop |
> Senkung der Nachlast |
> Verbesserung der Koronar- und Myokarddurchblutung |
> Erhöhung der anaeroben Schwelle |
> Antiarrhythmisch |
> Entzündungshemmend und kardioprotektiv |
> Verringerung des Elastizitätsverlustes des Herzmuskels |
> Antioxidativ und blutdrucksenkend |
Tabelle 1: Nachgewiesene Wirkungen von Crataegus
Neue Untersuchungen zeigen, dass Weißdorn die Angiogenese stimuliert und fördernd auf die Differenzierung verschiedener kardiovaskulärer Stamm- bzw. Vorläuferzellen wirkt. Daraus ergeben sich regenerationsfördernde Effekte, durch die möglicherweise Organschäden mindestens teilweise rückgängig gemacht werden.
Einige der in Tabelle 1 aufgeführten Wirkungen kommen dadurch zustande, dass die Gefäßwände direkt beeinflusst werden. Gefäße finden sich im gesamten Organismus. Denken Sie an die verästelten Kapillargeflechte, die z.B. die Nierenglomeruli ausmachen, vergleichbare Strukturen in den Inselbereichen der Bauchspeicheldrüse oder das zerebrale Gefäßsystem. Es handelt sich also um keine ausgewiesene Herzwirkung, sondern um systemische Effekte. Ähnlich verhält es sich mit der antioxidativen Wirkung oder der Blockierung der Beta-Rezeptoren, die sich nicht nur im Herzgewebe finden. Crataegus wirkt also einerseits spezifisch auf die Herz-/Kreislauffunktionen und verbessert darüber die Durchblutung des Körpers, andererseits führen systemische Effekte zu einer Verbesserung der Gesamtsituation, letztendlich im Sinne eines Adaptogens. Die Resilienz nicht nur des Herz-/Kreislaufsystems gegen viele Stressoren wird verbessert.
Crataeguszubereitungen werden bei Herzinsuffizienz-Stadium II nach der NYHA-Klassifikation empfohlen. Das bedeutet aber nicht, dass es in früheren Stadien oder bei schwerwiegenden Symptomen kontraindiziert ist. Ganz im Gegenteil. Dank der fehlenden Nebenwirkungen kann Crataegus risikofrei sehr frühzeitig zum Einsatz kommen und aufgrund der vielfältigen positiven Eigenschaften die Notwendigkeit möglicher schulmedizinischen Intervention deutlich herauszögern.
Als kleiner Wermutstropfen kann gelten, dass einige Wirkungen erst messbar werden, wenn Crataeguszubereitungen ausreichend lange verabreicht werden. Diese Wirkungslatenz kann durch Kombination mit weiteren gut verträglichen Heilpflanzen verringert werden.
Kleine Story am Rande: Im nahegelegenen Pferdehof stürmte der Araberhengst beim Rausbringen immer an das Ende der Koppel und fraß den Weißdornbusch ab, der dort als Begrenzung stand. Angesichts der langen und äußerst unangenehmen Dornen des Weißdornbusches – der Name kommt nicht von ungefähr, – und der empfindlichen Nüstern des Pferdes ist das nicht gerade ein „normales“ Verhalten. Die aufmerksame Besitzerin hatte einen Verdacht, der sich in der eingehenden tierärztlichen Untersuchung des Araberhengstes bestätigte. Das Pferd hatte ein Herzproblem und wusste intuitiv, was es fressen muss.
Literatur:
- Halver, Jonas et al. “Crataegus Extract WS®1442 Stimulates Cardiomyogenesis and Angiogenesis From Stem Cells: A Possible New Pharmacology for Hawthorn?.” Frontiers in pharmacology vol. 10 1357. 27 Nov. 2019.
- Verma, Tarawanti et al. “Plants Used as Antihypertensive.” Natural products and bioprospecting vol. 11,2 (2021): 155-184.
- Schilcher, Heinz (Hrsg.), Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer 2016.