Das Echte Süßholz (Glycyrrhiza glabra) ist eine mehrjährige krautige Pflanze aus der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler (Faboideae), die ursprünglich in der Mittelmeerregion beheimatet ist. Aus den getrockneten, geschälten Wurzelausläufern, der Süßholzwurzel, wird durch Auskochen und Eindicken der Süßholzwurzelsaft gewonnen. Davon lässt sich die lateinische Bezeichnung „Glycyrrhiza“ ableiten: aus dem griechischen glykus für „süß“ und rhiza für „Wurzel“.
Interessante Inhaltsstoffe sind vor allem das Saponin Glycyrrhizin (50 x süßer als Zucker), Phytosterole, zahlreiche Flavonoide und über 400 weitere Inhaltsstoffe.
Die schleimlösende, auswurffördernde Wirkung sowie die antientzündlichen, krampflösenden Eigenschaften und der Effekt gegen Magengeschwüre sind belegt. Die Trockendroge sowie der Süßholzwurzel-Extrakt wirken antiviral, antimykotisch und antibakteriell, der Wirkstoff Glycyrrhizin antiallergen, antitumoral und antioxidativ (1).
Seit einigen Jahren ist die Süßholzwurzel auch als natürlicher HMGB1-Blocker (High-Mobility Group Box-1) identifiziert worden. HMGB1 spielt nicht nur eine zentrale Rolle in Lebererkrankungen, jedoch wurde es in diesem Zusammenhang am intensivsten erforscht. In diversen chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen setzen die Leberzellen unter oxidativem Stress das HMGB1 aktiv und nekrotische Zellen passiv frei. Extrazellulär in der Leber vorkommendes HMGB1 wirkt als Alarmstoff (Alarmin) und fördert Entzündungen, indem es unterschiedlichste Signalwege wie z.B. RAGE (receptor for advanced glycosylation end products) und TLR (toll-like receptor) anstößt (2). Das Glycyrrhizin aus der Süßholzwurzel zeigte sich in unterschiedlichen Untersuchungen als hepatoprotektiv, stößt die Leberregeneration an und reduziert die Fibrosierung (3). Im Detail konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Glycyrrhizin als HMGB1-Antagonist dieses direkt binden kann (4, 5; Abbildung 1). Extrazellulär gebundenes HMGB1 kann dann an keine Rezeptoren mehr binden und folglich keine Entzündungsprozesse in Gang setzen. Intrazelluläres HMGB1 ist jedoch für eine physiologische Leberfunktion unabdingbar, denn es beugt hier u.a. eine Fettleber vor, indem es Fettansammlungen reduziert (6). Glycyrrhizin blockiert weiterhin den Transport von HMGB1 aus der Leberzelle in den extrazellulären Raum und sorgt damit dafür, dass HMGB1 an dem Ort bleibt, wo es seine nützliche Funktion entfalten kann, nämlich in der Zelle (7). Dieser exemplarische Weg zeigt, wie die Süßholzwurzel mit dem enthaltenen Glycyrrhizin zu einer physiologischen Leberfunktion beitragen kann.
Schon bei den Ägyptern und Griechen im Altertum fand die Süßholzwurzel als Heilpflanze ihre Anwendung. Damals war die Wirkung des Süßholzes gegen Husten, Heiserkeit und Asthma bekannt. Die Heerscharen Alexander des Großen sollen auf ihren Feldzügen die Wurzel als Durstlöscher gekaut haben. Hildegard von Bingen empfahl die Wurzel bei Lungenleiden und Verdauungsbeschwerden. Auch bei „Magengeschwülsten“ wurde sie eingesetzt. Im 16. Jahrhundert empfahl der Mediziner Leonhard Fuchs bereits, die Süßholzwurzel auch unterstützend für die Leber einzusetzen (8).
Der eingedickte Süßholzwurzelsaft dient u. a. als Grundstoff für die Herstellung von Lakritz. Sein übermäßiger Verzehr führt jedoch zur Erhöhung des Blutdrucks, zu Wassereinlagerungen im Gewebe sowie zu einer Verringerung der Testosteron-Produktion.
Literaturhinweise
1. Hasan MK, Ara I, Mondal MSA, Kabir Y. Phytochemistry, pharmacological activity, and potential health benefits of Glycyrrhiza glabra. Heliyon 2021; 7(6):e07240.
2. Khambu B, Yan S, Huda N, Yin X-M. Role of High-Mobility Group Box-1 in Liver Pathogenesis. Int J Mol Sci 2019; 20(21).
3. Malhotra S, Singh AP. Hepatotprotective natural products. Ethnobotanical Leaflets 2001; 1.
4. VanPatten S, Al-Abed Y. High Mobility Group Box-1 (HMGb1): Current Wisdom and Advancement as a Potential Drug Target. Journal of Medicinal Chemistry 2018; 61(12):5093–107.
5. Mollica L, Marchis F de, Spitaleri A, Dallacosta C, Pennacchini D, Zamai M et al. Glycyrrhizin binds to high-mobility group box 1 protein and inhibits its cytokine activities. Chem Biol 2007; 14(4):431–41.
6. Lin M, Long J, Li W, Yang C, Loughran P, O'Doherty R et al. Hepatocyte high-mobility group box 1 protects against steatosis and cellular stress during high fat diet feeding. Mol Med 2020; 26(1):115.
7. Vergoten G, Bailly C. Analysis of glycyrrhizin binding to protein HMGB1. Medicine in Drug Discovery 2020; 7:100058.
8. Brendieck-Worm C, Melzig MF, editors. Phytotherapie in der Tiermedizin. 2. Auflage. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2021.