Jetzt gibt’s was auf die Ohren

Wenn der junge Setter in die Praxis kommt, weil er sich vermehrt am rechten Ohr kratzt, immer wieder den Kopf schüttelt und diesen eigenartig schief hält, dann reagieren die Besitzer mitunter verstört, wenn wir uns zuerst die Pfoten, die Achselhöhen, den Innenschenkelbereich, dann auch noch das linke Ohr anschauen, bevor wir zum eigentlichen Konsultationsgrund kommen. Circa 70 Prozent aller Otitiden sind allergie- oder atopiebedingt, also Ausdruck systemischer Erkrankungen und keine isoliert zu betrachtende Geschehen. Bei dem hohen Prozentsatz lohnt es sich, diesem als erstes und gründlich nachzugehen. Selbstverständlich gibt es auch den primären Ohrzwang, etwa bei Grannen im Gehörgang, Verletzungen am oder im Ohr, lokalem Ohrmilbenbefall oder der sich in den Gehörgang verirrten Zecke. Und es gibt Hunderassen, die für Otitiden prädisponiert sind. Shar Peis haben häufig so enge Gehörgänge – und gleichzeitig eine Prädisposition für Allergien, Atopien, Dermatitiden und sogar Pyodermien, - dass bei denen nicht nur die Ohren zu Dauerbaustellen mutieren. Cocker haben sehr schwere und große Ohren, die aufgrund des Gewichtes den äußeren Gehörgang verschließen und in ihm ein eher anaerobes Klima begünstigen. Hinzu kommt bei dieser Hunderasse, dass die Ceruminaldrüsen häufig überaktiv sind, also zu viel Ohrschmalz produzieren.

Bestimmte Hautbereiche sind Prädilektionsstellen, an denen sich eine Allergie oder Atopie zeigen. Dazu zählen auch die Ohren. Die Anzeichen sind aber nicht pathognomonisch. Wichtig sind deshalb immer eine gründliche Anamneseerhebung und Allgemeinuntersuchung, wenn der Patient wegen einer Otitis vorgestellt wird.

Was tun bei allergisch bzw. atopisch bedingten Ohrrötungen mit Juckreiz?

Um den Juckreiz einzudämmen, die Haut zu beruhigen und die Entzündungen zu reduzieren wird sowohl die Pinna als auch der Gehörgang dünn mit AkuDerma® behandelt. Die Anwendung von AkuDerma® wird nach Bedarf wiederholt. Ergänzend dazu muss natürlich die Allergie bzw. Atopie möglichst ursächlich behandelt werden. Hier kommen eine ganze Reihe möglicher Präparate in Betracht, um die Allergiebereitschaft zu reduzieren und das Immunsystem zu regulieren. Dazu gehören z.B. Urtica/Stannum comp. PlantaVet, Renes/Calcium comp. PlantaVet, Mesenchym comp. PlantaVet, alle Leberpräparate, EnteroRegén® Tabletten u.a.m.. Es bedarf eines umfassenden Behandlungsplanes und der Aufklärung der Besitzer. Die alleinige Reduktion des Juckreizes an den Ohren hilft dem Patienten akut, aber nicht auf Dauer.

Was tun bei einem Ohrmilbenbefall, wenn man auf die systemischen Antiparasitika in Tablettenform oder die Spot Ons verzichten will oder Hund schüttelt sichmuss, weil der Patient dieserart Belastungen nicht verträgt? Mit regelmäßigen gründlichen Reinigungen mit AuriClean® werden ein Großteil der Milben und Eier entfernt und das Milieu im Gehörgang ungemütlicher für die Parasiten. Nach der gründlichen Reinigung wird etwas AuriSan® in den Gehörgang gegeben. AuriSan® fördert Heilungsprozesse im Gehörgang und verhindert dank diverser nachweislich antibiotisch wirkender Ingredienzien Sekundärinfektionen. Um auch die Rückzugsorte der Milben zu berücksichtigen wird Milbisec® Puder (Dr. Schaette) wie Flohpuder auf dem Tier angewendet, insbesondere im Kopf-Halsbereich. Zusätzlich müssen die Schlaf- und Aufenthaltsplätze betroffener Tiere gründlich gereinigt und gewaschen und ggf. auch hier das Milbisec®  in der Umgebung ausgebracht werden. Mit regelmäßigen Wiederholungen dieser Maßnahmen werden die Milben wirksam beseitigt, auch ohne potenziell neurotoxische Chemie einzusetzen.

Der Befall mit Ohrmilben kann auch ein Zeichen für Milieuveränderungen und ein insuffizientes Immunsystem sein. Bei entsprechenden Hinweisen sollte nach möglichen Grundkrankheiten geforscht werden, z.B. einer Hypothyreose beim älteren Hund oder einer chronischen Infektion beim Katzenwelpen. Eine unterstützende Kurbehandlung zur Modulation des Immunsystem kann im Bedarfsfall helfen, die Abwehrkraft betroffener Tiere zu stärken. Eine solche Kurbehandlung kann gut mit Pet-M® PlantaVet durchgeführt werden. 5 x jeden 2. Tag eine Gabe, im Anschluss 5 x jeden 3. Tag.

Was tun bei nachweislich bakteriellen, eitrigen Otitiden?

Bei stark zugeschwollenen Gehörgängen ist die Gabe eines schnell wirkenden Kortisons hilfreich, um nach Abschwellung die Ohren zu säubern und zu inspizieren. Dadurch werden auch gleich die Schmerzen und das Leid reduziert (s.u.). Nach Probenentnahme für die Bakteriologische Untersuchung (BU) muss der Gehörgang vorsichtig-gründlich gereinigt werden, ggf. sogar in Narkose. Das Keimspektrum innerhalb des Gehörganges ist abhängig vom Ort der Probenentnahme, von daher ist ggf. ein oberflächlicher und ein tiefer Abstrich sinnvoll. Immer dann, wenn Trommelfellverletzungen nicht sicher ausgeschlossen werden können, sollten Reinigungs- oder Pflegemittel sowie Therapeutika nur kontrolliert angewendet werden. So kann z.B. ein Watteträger mit 5-10 % PhlogAsept® PlantaVet-Lösung getränkt werden, um damit den Gehörgang vorsichtig zu säubern und gleichzeitig zu benetzen. PhlogAsept® PlantaVet-Lösung wirkt schon in geringer Konzentration auch gegen Problemkeime antibiotisch1. Eine Behandlung mit PhlogAsept® PlantaVet vor der Instillation von indizierten Antibiotika kann deren Wirksamkeit deutlich verbessern, weil die Naturstoffe den Biofilm aufbrechen und damit ein Antibiotikum besser bzw. überhaupt zur Wirkung kommt.
Im Anschluss an die Reinigung wird AuriSan® Ohrenbalsam angewendet. AuriSan® Ohrenbalsam hat schon in geringen Konzentrationen antimikrobielle und antifungale Wirkungen gezeigt, getestet gegen diverse Otitis-Erreger einschließlich Malassezien (Infoblatt AuriSan). Gegen Malassezia spp. scheinen einige Hunde allergische Reaktionen zu entwickeln2, wodurch die Behandlung der Otitis noch deutlich verkompliziert werden kann. Je nach Ausprägung der Otitis und Ergebnis der BU müssen im Einzelfall indizierte Antibiotika zur Anwendung kommen. Eine systemische Antibiose ist in den seltensten Fällen angezeigt.

Was tun bei chronischen Otitiden?

Hund und TierarztWiederholte oder chronische Entzündungen stellen die größte Herausforderung dar. Sind schon Fibrosen, Stenosen und Verkalkungen vorhanden und besteht der Verdacht auf schwere, nachhaltige Drüsenveränderungen, dann ist die Prognose für eine Restitutio ad integrum sehr vorsichtig bis infaust. In solchen Fällen geht es primär darum, die Leiden für das Tier zu reduzieren und auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Unter Einbeziehung auch chirurgischer Maßnahmen sind alle Behandlungsoptionen auf den Prüfstand zu stellen. Durch sehr intensive Therapiemaßnahmen und regelmäßige Kontrollen ist in vielen Fällen eine deutliche Besserung zu erzielen. Auch hier muss versucht werden, zugrunde liegende Faktoren zu erkennen und weitestmöglich zu reduzieren. Die Versorgung chronischer Otitiden bedeutet sehr langwierige, durchaus auch lebenslange Betreuung, verbunden mit nicht unerheblichen finanziellen Belastungen für die Besitzer. Deshalb sind die Aufklärung der Besitzer und regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei akuten Otitiden der Schlüssel dafür, Ohrerkrankungen im Endstadium vorzubeugen.


Wichtig!

  • Die Haut an und in den Ohren ist per se sehr empfindlich. Entzündete und gereizte Haut ist noch viel empfindlicher, weil die Hautfunktionen und damit auch die Schutzfunktion der Haut beeinträchtigt sind. Bitte prüfen Sie ALLE Präparate, die sie in den Gehörgang verbringen wollen, zuvor auf der Innenseite der Ohrmuschel. Treten deutliche Rötungen, Schwellungen oder Juckreiz auf, dann sollte das entsprechende Präparat nicht in den Gehörgang verbracht werden, auch wenn es noch so indiziert ist. Bei den typischen 3-fach Ohrpräparaten mit Antimykotikum, Antibiotikum und Kortikosteroid sorgt die letztere Komponente dafür, mögliche Unverträglichkeiten der Wirk- oder Begleitstoffe im Zaum zu halten. Iatrogene Verschlimmerungen sind aber keine Seltenheit, und die Schwierigkeiten bestehen immer darin, diese als solche zu erkennen und anzuerkennen und nicht von einer Verschlimmerung der ursprünglichen Krankheit auszugehen.
  • Ohrenprobleme sind vielfach sehr schmerzhaft. Denken Sie an eine entsprechende Schmerzbehandlung. Alle im PetDolor® enthaltenen Heilpflanzen wirken nahezu ohne Nebenwirkungspotential auf unterschiedlichen Wegen und verschiedenen Ausmaßen antiphlogistisch und analgetisch. In schlimmen Fällen ist eine Kombination mit einem herkömmlichen Schmerzmittel möglich.

 

Literaturverzeichnis

  1. Gabor, Philipp (2022): Untersuchungen zur antimikrobiellen Wirkung des Veterinär-Phytotherapeutikums PhlogAsept; Diplomarbeit. Universität Greifswald, Greifswald. Institut für Pharmazie,
  2. Bajwa, Jangi. “Canine otitis externa - Treatment and complications.” The Canadian veterinary journal = La revue veterinaire canadienne vol. 60,1 (2019): 97-99.
Themen: Haut & Ohren