Take a deep breath – gesunde Atmung bei Pferden

Nach einem langen Arbeitstag im schlimmstenfalls überheizten Büro, in der Praxis, oder in Messehallen und Vortragssälen, brauche ich zwei Dinge: Erstens Bewegung und zweitens frische Luft, am besten zu vereinen bei einem Waldspaziergang oder Waldlauf. Die Bewegung tut einfach gut, der Kreislauf kommt in Schwung und die tiefen Atemzüge bringen die kühle reine Waldluft gefühlt in alle Zellen des Körpers.  Das belebt, gibt Kraft und neue Energie.

Stäube und Schadgase

Vermutlich besteht das Bedürfnis nach freier Bewegung und frischer Luft auch bei vielen Pferden, die die meiste Zeit im Stall stehen und möglicherweise die Bewegung nur in der Reithalle haben. Bewegung an frischer Luft ist Stimulus für Herz-Kreislaufsystem, Atmungs- und Bewegungsorgane. Wind, Sonne und Temperaturschwankungen aktivieren das Immunsystem und erhöhen die Resilienz der Tiere. Es ist erwiesen, dass durch Schadgase und Stäube in der Stallluft oder durch Stäube auf dem Reitplatz die Entstehung von Atemwegsproblemen begünstigt und bestehende Erkrankungen verschlimmert werden. Ausreichende Belüftung und Durchblutung der Atemwege würde die Selbstreinigungskräfte stärken. Übermäßige Belastungen hingegen wirken immunsuppressiv und begünstigen damit Infektionskrankheiten.

Fütterung und Sekundäre Pflanzenstoffe

Ein weiterer wesentlicher Faktor hinsichtlich gesunder Atemwege ist die Fütterung bzw. die Futterqualität. Vor allem in den südlichen Regionen Deutschlands ist dieses Jahr (2024) Heu von schlechter Qualität eingefahren worden, was vermuten lässt, dass mit der Verfütterung dieses Grundfutters vermehrt Atemwegsprobleme auftauchen werden. Muffig oder faulig riechendes, offensichtlich verfärbtes Heu darf nicht verfüttert werden. Es reicht aber schon, wenn weniger verändertes Heu z.B. Pilzsporen enthält oder kleinere Nester qualitativ unzureichenden Heus nicht erkannt oder solche Chargen als Einstreu benutzt werden. Auch bei gutem Heu und vermeintlich ausgewogenem Zusatzfutter fehlen in der Ernährung der Pferde sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die Pferde in freier Natur, also im natürlichen Lebensraum, aufnehmen würden. Ihre natürliche Nahrung besteht aus zellulosereichen Gräsern, Kräutern, Flechten, Blättern, Knospen und Rinden. Dieser Pflanzenmix liefert Gerb- und Bitterstoffe, ätherische Öle, Flavonoide und Saponine. Pferde würden Schleimstoffe aus Malven, Spitz- und Breitwegerich und Senfölglykoside aus Lauchgewächsen, Kresse-Arten und dem Wiesenschaumkraut aufnehmen. Rinden und Knospen liefern Mineralien und Spurenelemente sowie Stoffe, mit denen sich Pflanzen gegen Pilze und Bakterien schützen und die die Immunabwehr der Pferde unterstützen. Das häufig zu beobachtende Benagen von Weidepfosten oder Stallabgrenzungen muss kein Ausdruck für Langeweile sein, sondern kann auch ein Bedürfnis nach bestimmten Stoffen signalisieren. Auch das Abpflücken von Zweigen oder Gestrüpp während des Ausrittes könnte eine Unart ohne jeglichen Belang sein. Es ist mit Sicherheit kein Hinweis auf akute Hungerzustände, aber vielleicht zeigt auch dieses unerwünschte Verhalten eben doch ein Bedürfnis nach sekundären Pflanzenstoffen, Mineralien oder Struktur an, die das Pferd in der Box, im Futtertrog oder auf der Weide nicht findet? Weiden sind heute oft Monokulturen ertragreicher, energie- und eiweißreicher Wirtschaftsgräser ohne Beikräuter, die als Lieferanten wichtiger sekundärer Pflanzenstoffe so wertvoll wären. Beim Grasen auf extensiven Weideflächen würden ca. 50 bis 75 verschiedene Pflanzen aufgenommen werden.

Atemwegsproblem als Ursache für Leistungseinbußen

Reitplatz StaubBewegungsmangel, Staub- und Schadstoffbelastungen und Fehler in Fütterung und Haltung sind die Hauptgründe für akute, chronische oder rezidivierende Atemwegserkrankungen. Probleme im Respirationstrakt ist die häufigste internistische Ursache für Leistungsschwäche beim Pferd. 8 von 10 der wegen Leistungsdefizit untersuchten Pferden zeigen Probleme der unteren Atemwege. 70 % der Pferde weisen vermehrte Mukus-Ansammlungen auf, bei 70 % der untersuchten bronchoalveolären Spülflüssigkeit werden neutrophile Entzündungen festgestellt. Mukusansammlungen und Entzündungszellen sind Reaktion der Schleimhaut auf schädigende Einflüsse. Über vermehrte Schleimbildung in Verbindung mit Aktivierung des Flimmerepithels versucht der Körper die Reinigung der Atemwege zu gewährleisten. Dauerstimulus oder unzureichende Abwehrreaktion führen infolge zur Becherzellhyperplasie, Ödembildung und vermehrter Anlockung von Entzündungszellen, woraus dann eine Reduktion der Clearanceleistung sowie neutrophile oder eosinophile Entzündungen resultieren. Die glatte Muskulatur der Atemwege reagiert mit Hyperplasie und Hyperreaktivität. Bindegewebszellen des Interstitiums bilden Fibrin, das weitere Entzündungszellen anlockt. Die von aktivierten Makrophagen gebildeten Metallo-Matrix-Proteinasen führen zusammen mit den fibrotischen Vorgängen zum Umbau der Lungenarchitektur. An diesen Umbauprozessen sind wesentlich Immunzellen beteiligt.


Therapeutische Maßnahmen mittels Phytomedizin

Im Falle einer akuten Erkrankung oder eines akuten Schubes einer chronischen Atemwegsaffektion empfehlen wir die Gabe von EquiPulmin® liquid. Placebo-kontrollierte Untersuchungen zeigen, dass bei experimentell ausgelöster Bronchoalveolitis durch Gabe einer fixen Kombination aus Efeu und Thymian – vermutlich über eine reduzierte Leukotriensynthese – viele Entzündungsparameter reduziert werden konnten. Bei den Versuchstieren waren in der bronchoalveolären Spülflüssigkeit weniger Leukozyten nachweisbar. Ebenfalls waren die Leukozyten im Blut und im Lungengewebe sowie die Zahl der Becherzellen reduziert. Als Verum wurde Dexamethason eingesetzt.

Das im EquiPulmin® liquid enthaltene Efeu gilt als Saponindroge. Sekretolytische, expektoriende und antimikrobielle Wirkungen sind für Efeu nachgewiesen. Im Körper wird aus dem sogenannten Prodrug Heteracosid C das α-Hederin, das über β-adrenerge Effekte die β-Rezeptorendichte reduziert und damit zur Erschlaffung der Bronchialmuskulatur, vermehrter Bildung von Surfactant und zur Minderung des Hustenreizes beiträgt. Thymian als Ätherischöldroge ist bekannt für antimikrobielle und resistenzmindernde Wirkungen. Thymian regt die Selbstreinigung der Bronchien an, reduziert über Carvacrol und Thymol Entzündungen und ist bronchospasmolytisch.  

Zur Unterstützung der Bronchialfunktion bei und nach akuten Atemwegserkrankungen oder während besonderer Belastungssituationen liefert PlantaPulmin basic über die enthaltenen Pflanzen wichtige sekundäre Pflanzenstoffe. Enthalten ist unter anderem Wermut als Bitterstoffdroge. Amara wirken bekanntermaßen verdauungsfördernd und verbessern die Darmgesundheit. Die Herstellung oder Verbesserung der Darmgesundheit ist Grundvoraussetzung für Genesung. Das Zitat „Alle Krankheiten beginnen im Darm!“ wird Hippokrates zugesprochen. Diese Aussage bewahrheitet sich im Praxisalltag immer wieder, vor allem bei der Versorgung chronisch kranker Tiere.

Bitterstoffrezeptoren finden sich nicht nur im Verdauungstrakt, sondern auch auf den Schleimhäuten des Atmungstraktes. Deren Aktivierung verbessert die mukoziliäre Clearance und Immunabwehr, u.a. über die Induktion antimikrobieller Peptide. Ebenfalls wird über die Bitterstoffrezeptoren eine Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien (Bronchospasmolyse) bewirkt. 

Therapie mittels Organotherapie

Neben den heilpflanzenhaltigen Präparaten können Atemwegsprobleme sehr zielgerichtet und effektiv mit den potenzierten Arzneimitteln behandelt werden, die als Leitschiene und zur organspezifischen Beeinflussung homöopathisch aufbereitete Organlysate enthalten. Die Namen der Präparate geben dabei schon Hinweise darauf, bei welchen Problemen welches Präparat indiziert sein könnte. Membrana nasalium comp. PlantaVet ist das Präparat für die Sinusitis oder Pansinusitis allergischer oder infektiöser Genese. Auch bei Erkrankungen der Luftsäcke kann ich mir den unterstützenden Einsatz von Membrana nasalium comp. PlantaVet vorstellen, auch wenn diese eine Erweiterung der Ohrtrompete darstellen. Auch beim Headshaking, deren Ursache beim Einzelpatienten vielfach nicht zu eruieren ist, könnte das Mittel zum Einsatz kommen.

Larynx/Apis comp. PlantaVet ist das Mittel für akuten Kehlkopfhusten. Bei chronischen Hustern, versuchsweise auch beim Kehlkopfpfeifer, empfehlen wir Larynx/Levisticum comp. PlantaVet, zumal in diesem und in dem Akutmittel Larynx/Apis comp. PlantaVet die den Kehlkopf versorgenden Nerven als Organpräparate enthalten sind.

Bronchi comp. PlantaVet deckt über die Organschiene die Entzündungen der Nasenschleimhaut, des Larynx und der Bronchien ab. Es ist das Präparat für akute Entzündungen der oberen Atemwege.

Akute Lungenaffektionen werden unterstützend mit Pulmo/Bryonia comp. PlantaVet behandelt. Das Mittel zur Behandlung chronischer Lungenleiden, unter dem veralteten, aber immer noch geläufigen Begriff COPD subsumiert, ist Pulmo/Stibium comp. PlantaVet.

Diese Injektionslösungen werden im Off-Label-Use von vielen Anwendern insbesondere in der Nachbehandlung oral verabreicht oder in herkömmlichen Inhalatoren verdampft. Die Rückmeldungen zu diesen Applikationsformen sind durchweg positiv.

Resümee

Pferde sind Lauftiere. Sie verfügen über einen enorm leistungsfähigen Atmungstrakt und ein ebenso leistungsfähiges Herz-Kreislaufsystem. Auch geringe Beeinträchtigungen der Atmung bedeuten Leistungseinbußen und stellen mitunter die „Nutzbarkeit“, d.h. die Reitfähigkeit, infrage. Schnelle und nachhaltige Hilfe ist gefragt und angesichts der breiten PlantaVet-Produktpalette sehr gut möglich. Die individuelle Präparateauswahl richtet sich nach der guten tierärztlichen Diagnose. Um nachhaltige Erfolge zu erzielen und Rezidive zu vermeiden ist immer auch die Optimierung der Fütterung und Haltungsbedingungen zu berücksichtigen.

 


 

Literaturverzeichnis

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